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Wechselwirkung von Arzneien in der Leber sichtbar machen: EU-Projekt entwickelt Mikro-Leberkultursystem und passende Bildgebung

Die Universität Bielefeld koordiniert ab Mai ein EU-Forschungsprojekt mit dem Ziel, ein Mikro-Lebermodell für mindestens 14 Tage am Leben zu halten und parallel durch Bildgebung zu untersuchen, wie die Leberzellen auf eine Kombination verschiedener Medikamente reagieren. Hintergrund ist die Tatsache, dass mehr als 30 Prozent der Menschen in Europa, die älter als 65 Jahre sind, mindestens fünf verschiedene Medikamente am Tag einnehmen. Nicht immer verträgt sich alles gut miteinander – und das gilt es, näher zu erforschen. Bei dem Verbund handelt es sich um das erste Projekt unter Leitung der Universität Bielefeld, das vom Europäischen Innovationsrat (EIC) der Europäischen Union gefördert wird. Beteiligt sind fünf weitere Projektpartner in ganz Europa, darunter das Evangelische Klinikum Bethel, das zum Universitätsklinikum Ostwestfalen-Lippe gehört.

Chronisch kranke oder alte Menschen nehmen oft mehrere verschiedene Medikamente am Tag ein: Aus der Kardiologie erhalten sie womöglich etwas, um den Blutdruck zu senken, der Hausarzt verschreibt ein Schmerzmittel, ein Magenmedikament und einen Blutverdünner, die Psychiaterin ein Antidepressivum. Und schon kommen im Körper verschiedenste Wirkstoffe zusammen – und der baut sie überwiegend in der Leber ab.

Bei manchen Arzneimitteln ist bekannt, dass sie Wechselwirkungen haben. Aber nicht immer ist vorher klar, wie Medikamente zusammen im Körper wirken – und nicht jede Leber reagiert gleich auf denselben Mix an Wirkstoffen. „Aus Studien wissen wir, dass etwa zehn bis 20 Prozent der Krankenhauseinweisungen von älteren Patienten darauf zurückgehen, dass ihr Körper nicht gut auf das Zusammenspiel der verschiedenen Medikamente reagiert“, sagt Professor Dr. Thomas Huser von der Universität Bielefeld. „Sie müssen dann neu mit Medikamenten eingestellt werden.“

System soll Leberzellen außerhalb des Körpers am Leben halten

Huser ist Physiker und beschäftigt sich seit mehr als zwölf Jahren mit der Leber und der optischen Darstellung ihrer Zellen. Er koordiniert das neue EU-Projekt namens DeLIVERY, in dem die Universität Bielefeld mit fünf weiteren Partnern aus ganz Europa zusammenarbeitet. „Unser Ziel ist es, eine Art Mikro-Leberkultursystem zu entwickeln und damit die Verträglichkeit von Medikamenten-Kombinationen zu testen“, sagt er. Ein solches System gibt es für die Leber bislang noch nicht.

Die Leberzellen sollen dabei in einer Art Mini-Brutmaschine für mindestens 14 Tage am Leben erhalten werden, während die Forschenden beobachten, wie die Zellen auf bestimmte Medikamente, deren Kombination und verschiedene Dosierungen reagieren. „Wir haben uns dafür die Wirkstoffklassen herausgesucht, die bei älteren Menschen am häufigsten verschrieben werden“, sagt Huser.

Bildgebung ist Aufgabe der Bielefelder Forschenden

Ebenso wichtig wie die Brutmaschine ist die Bildgebung, die speziell für DeLIVERY entwickelt wird und die diese Beobachtungen ermöglichen soll – und das ist die Aufgabe von Husers Arbeitsgruppe: „Wir arbeiten an einem optischen System, mit dem wir Leberzellen in sehr hoher Auflösung darstellen können, ohne dass wir sie aus der Brutmaschine entfernen und unter ein Elektromikroskop legen müssen“, sagt Huser. Der Vorteil: Die Zellen sind danach für die Forschung nicht verloren, wie es bei einem Präparat unter einem Mikroskop der Fall wäre, sondern leben weiter.

Das Projekt, das vom Europäische Innovationsrat mit rund drei Millionen Euro gefördert wird, läuft über vier Jahre. „Unser Ziel ist es, dass wir am Ende individuell durch eine Biopsie testen können, wie die Leber eines Patienten oder einer Patientin auf bestimmte Medikamente und deren Kombination reagieren wird“, sagt Thomas Huser. Dafür müssten nur wenige Leberzellen entnommen werden – und Biopsien zählen in der Medizin zu Routineeingriffen.

Projektpartner arbeiten interdisziplinär zusammen

Bei den weiteren Projektpartnern handelt es sich um das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB), die University Tromsø (Norwegen), die Vrije Universiteit Brussel (Belgien), die Excelitas PCO GmbH aus Kehlheim (Deutschland) und das Unternehmen Cherry Biotech (Frankreich). Die Projektpartner arbeiten interdisziplinär zusammen: Cherry Biotech entwickelt etwa die Brutmaschine, die die Form eines Würfels mit einer Kantenlänge von 40 Zentimeter hat. An ihr sollen sich acht Parameter einstellen lassen, um den Leberzellen optimale Bedingungen zu bieten.

Die Leberzellen, die untersucht werden, stammen aus der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Evangelischen Klinikums Bethel, das zum Universitätsklinikum Ostwestfalen-Lippe gehört. Chefarzt Professor Dr. med. Jan Schulte am Esch hat sich ähnlich wie Huser auf die Leber spezialisiert. Er sagt: „Dieses Projekt erlaubt uns erstmals, feinste Strukturen der menschlichen Leber unter dem Einfluss von unterschiedlichsten Medikamenten darzustellen sowie die Schädigungs- und Reparaturvorgänge in dem Organ über einen längeren Zeitraum zu beobachten, was aus Sicht der Chirurgie von großer Bedeutung ist.“ Die lokale Kooperation entwickelte sich im Rahmen des von der Universität Bielefeld und dem EvKB gegründeten Forschungsverbundes Biomedizin Bielefeld OWL e.V. (FBMB), dem Huser als Mitglied und Schulte am Esch als Teil des Vereinsvorstands angehören.

DeLIVERY ist so ausgerichtet, dass es potenziell zur individualisierten Behandlung insbesondere älterer Menschen beiträgt. Die Forschenden wollen mit ihrem künftigen Mikro-Leberkultursystem neben den Kombinationen von Medikamenten auch neuartige Arzneimittel testen, die das Potenzial haben, die Auswirkungen des Alterns umzukehren. Auch sollen Arzneimittel erprobt werden, die für die Behandlung der mittlerweile verbreiteten Nicht-Alkohol-bedingten Fettleber-Erkrankung (NAFLD) entwickelt wurden.

Der Projektname DeLIVERY steht für die Kombination von Leber (Englisch: liver) und Lieferung (Englisch: delivery), was in einem Wort andeutet, dass oral aufgenommene Medikamente nur durch die Leber in das Blut gelangen können. Der volle Titel des Projekts lautet „Long-term Microphysiological Sample Imaging for Evaluation of Polypharmacy in Liver“ (Langzeit-Abbildung von mikrophysiologischen Proben zur Bewertung der Polypharmazie in der Leber).

Gefördert wird das Projekt im Pathfinder-Programm des Europäischen Innovationsrats (EIC) über die Förderungsvereinbarung Nr. 101046928. Der EIC wurde von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen, um die Kommerzialisierung von Technologien mit hohem Risiko und großer Wirkung in der Europäischen Union zu unterstützen. Für die Ausschreibungen und die Finanzierungsinstrumente des EIC steht insgesamt ein Budget von 9,736 Milliarden Euro zur Verfügung – rund zehn Prozent des Gesamtbudgets für das neue EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Mit dem Pathfinder-Programm fördert der EIC multidisziplinäre Forschungsteams, die visionäre Forschung mit dem Potenzial zu technologischen Durchbrüchen betreiben.

Zusammen mit zwei bereits laufenden Projekten, die durch das Vorgängerprogramm FET (Future and Emerging Technologies) gefördert werden, ist DeLIVERY bereits das dritte Projekt der EU-Innovationsförderungs-Initiative, das in der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld bearbeitet wird. DeLIVERY knüpft an das seit 2018 laufende Promotionsnetzwerk DeLIVER an, das ebenfalls von der Universität Bielefeld koordiniert wird. Darin erforschen junge Wissenschaftler*innen gesundes Altern unter dem Mikroskop: Sie entwickeln neuartige optische Verfahren, mit denen sich die Leber mikroskopisch-hochauflösend untersuchen lässt. Bei dem Verbund handelt es sich um ein Marie-Skłodowska-Curie European Training Network (Europäisches Ausbildungsnetzwerk für den wissenschaftlichen Nachwuchs), gefördert von der Europäischen Union.

Weitere Informationen:

Kontakt:

Prof. Dr. Thomas Huser
Universität Bielefeld
Fakultät für Physik
Telefon: 0521 106-5451
E-Mail: thomas.huser@physik.uni-bielefeld.de

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Pressekontakt

Sandra Gruß

Leitung Unternehmenskommunikation


Tel: 0521 772-77060

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Manuel Bünemann

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Unsere Auszeichnungen

Qualitätssiegel MRSA

Für ihre Maßnahmen gegen die Verbreitung multiresistenter Erreger (MRE) sind das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) und das Krankenhaus Mara vom MRE-Netzwerk Nordwest mit dem Qualitätssiegel MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ausgezeichnet worden. Das Siegel wird nur an Krankenhäuser vergeben, die in 10 verschiedenen Qualitätszielen zur Verhinderung der Verbreitung von MRSA punkten.

Aktion Saubere Hände Gold

Mit dem Gold-Zertifikat für die Jahre 2024 und 2025 hat das Evangelische Klinikum Bethel die höchste Auszeichnung der "Aktion saubere Hände" für Maßnahmen zur Krankenhaushygiene erhalten.

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Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.

Das Evangelische Klinikum Bethel ist Mitglied im Aktionsbündnis Patientensicherheit, um unseren Patienten eine größtmögliche Sicherheit bei ihrer Behandlung zukommen zu lassen.

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Verstetigung Hygiene

Das Evangelische Klinikum Bethel wurde mit dem Siegel "Qualität und Transparenz" durch die Interreg Deutschland Nederland ausgezeichnet.

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